Lieblicher Frühling und schreckliche Vergangenheit – von Oranienburg nach Fürstenberg

In Oranienburg besuchen wir heute Morgen zuerst das Schloss. Ein mächtiges Gebäude mit einer grossen Gartenanlage. Die wir nicht besichtigen. Mit den gepackten Velos ist das immer schwierig. Die Gefährte müssten irgendwo bewacht parkiert werden können. Was meistens nicht geht. Das Schloss liegt direkt an der Havel und ist sehr schön anzuschauen. 


Wieder zurück in Oranienburg biegen wir zur Gedenkstätte des Konzentrationslagers Sachsenhausen ab. Diese liegt knapp 2 km vom Hotel weg wo wir übernachtet haben. Schülergruppen werden durch die weiträumige Anlage geführt. Eine davon stammt aus Norwegen. Schautafeln informieren über diesen Ort des Schreckens. Wir werden nachdenklich und es ist einfach unglaublich, zu was Menschen fähig sind. Die ganze Anlage ist in einzelnen Teilen noch erhalten und war nach dem Krieg von den Russen noch bis ins Jahr 1955 weiterbetrieben worden. Erst 1990 wurden die Massengräber, die die Russen angelegt hatten, zu Friedhöfen umgestaltet. Gerade in diesen Tagen finden in Israel Gedenkveranstaltungen zur Shoa statt. 


Wir verlassen Oranienburg und fahren weiter gen Norden. Die Wege, oder besser Fahrradstrassen, sind in perfektem Zustand. Lichte Wälder, abwechselnd mit Laubbäumen dann wieder mit Föhren, begleiten uns. Immer wieder liegen Seen in der Landschaft oder wir folgen Kanälen oder Flüssen. Kanugebiet ist das hier ganz klar. Die Havel wird fleissig befahren, Schleusen werden passiert und häufig hat es an den Schleusen kleine Beizen. In einer davon machen wir kurz Pause, trinken isotonische Getränke (alkoholfreies Bier) und ich geniesse ein feines Matjesbrötchen. 


Weiter geht es in rassiger Fahrt. Heute machen wir fast doppelt so viel Höhenmeter wie gestern. Am Ende stehen sagenhaft 56 (sechsundfünfzig) davon auf der Statistik. Die Gegend ist meistens flach wie eine Bratpfanne. Bloss am Ende geht es ein wenig auf und ab. Die Landschaft bietet viel Abwechslung und ab und zu führt die Veloroute mitten durch die kleinen Dörfer oder auch mal durch eine grössere Ortschaft. Es ist wirklich schön, hier unterwegs zu sein. Strassen mit Verkehr fahren wir fast keine. Und wenn, dann hat es nur wenige Autos. 


Am Nachmittag erlebe ich ein kleines Schauspiel der Natur. Ich muss am Waldrand kurz anhalten und pinkeln. Da sehe ich vor mir im Sand Schmetterlinge. Zwei Tagpfauenaugen umtanzen sich. Die Schmetterlinge werden im Frühling wieder aktiv sobald es wärmer ist. Ob das hier ein Brauttanz war? Ich weiss es nicht, vermute es aber. Fast fünf Minuten lang sehe ich zu, wie die beiden tanzen. 


Der Tag in Bildern

Weiter geht die Fahrt. Manchmal über Strecken die wir als „Plombenschüttler“ bezeichnen. Ganz grobes Kopfsteinpflaster ist hier im ehemaligen Osten verarbeitet worden. Das haut beim Velo fast die Schrauben raus und es geht nur im Schritttempo weiter. Zum Glück sind diese Strecken kurz. Manchmal sind auf beiden Strassenseiten Betonverbundsteine verlegt. So kommen wir mit dem Velo trotzdem gut weiter. 


Kurz vor unserem Tagesziel, dem Ort Fürstenberg, passieren wir wieder zwei Konzentrationslager. Einerseits ein so genannt vergessenes KZ, das Jugendkonzentrationslager und spätere Vernichtungslager Uckermark, das für junge Mädchen und Frauen eingerichtet worden war sowie das grosse KZ Ravensbrück, in welches ausschliesslich Frauen deportiert worden sind. Wir fahren zur Gedenkstätte. Eigentlich ein schöner Platz an einem See. Aber irgendwie haben wir das Gefühl, als liege über diesem Ort ein schwerer Deckel. Hier steht das Krematorium noch und ist offen. Drinnen stehen drei Verbrennungsöfen und was besonders beeindruckt ist der Umstand, dass erst 2012 grosse Mengen von Kremationsasche auf dem Gelände entdeckt worden sind. Uns fällt auf, dass die Orte praktisch menschenleer sind. Die Velofahrer auf der Route lassen diese Stätten des Gedenkens offenbar auf der Seite liegen. Was gerade hier, beim KZ Ravensbrück, fast nicht möglich ist. Direkt an der Veloroute steht eine eindrückliche Skulptur mit drei Frauen die ein totes Kind transportieren. Die ehemaligen Wohnhäuser der Wachmannschaften werden noch heute genutzt – als Jugendherberge. 

Die nachhaltigen Eindrücke der Konzentrationslager

Wie soll ich sagen? Heute wechseln sich Licht und Schatten ab. Einerseits die tolle Velofahrt bei herrlichen Verhältnissen, andererseits die dunkle Geschichte, die wir hier buchstäblich erfahren. Teilweise wurden die alten Gebäude aus der Zeit der Nationalsozialisten von den Russen bis in die späten Siebzigerjahre weiter verwendet. Bis sie zu Gedenkstätten umgenutzt worden sind. 


Hier in Fürstenberg wohnen wir in der Alten Reederei. Wie es der Name sagt, ist es eine alte Reederei aus den Zeiten der aktiven Havelschifffahrt umgenutzt worden. Es ist superschön hier und wir fühlen uns auf Anhieb wohl. Wir haben ein Doppelzimmer mit eigener Veloparkgarage – der Vorraum ist so gross, da haben wir unsere Velos parkieren können. Der Ort ist etwas für Leute mit viel Zeit. Das Essen ist ausgezeichnet. Aber gut Ding will Weile haben. Wir warten über eine Stunde auf unser Essen. Mit uns warten auch alle anderen Gäste. Als ich die Grösse der Küche sehe, verbunden mit dem Umstand, dass der Koch den Abwasch auch selber machen muss, wird einiges klarer. Organisatorisch hat das Team definitiv ungenutztes Verbesserungspotenzial. Nun, wir kommen so halt später ins Bett als gedacht. Dafür werden wir hoffentlich wieder ein solch komatöses Schlaferlebnis haben wie in der vorherigen Nacht. 


Zum Schluss noch ein Wort zum gestern erwähnten Thema der besoffenen Männer, dem Vatertag. Mein Bruder hat mir diesen Link hier geschickt. Der erklärt alles. Wir bestätigen: Genauso ist es. Und heute? Da waren die Typen nicht mehr zu sehen. Die lagen wohl alle mit Brummschädeln irgendwo rum und mussten sich erholen. Was für uns einen grossen Vorteil gehabt hat: es waren weniger Velofahrer unterwegs als gestern. Ebenfalls auffällig: Batterievelos sind hier absolute Einzelstücke. Kein Wunder: es ist ja topfeben. Da rollt es auch ohne Strom fast von alleine.

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