Karbonboliden, Schlotterwetter und Überraschungen

Gabi geniesst die Insel Sylt wie der Blog uns sagt. Meinerseits bin ich weiter nördlich unterwegs. Zum dritten Mal ist die weltgrösste Velorundfahrt für mich aktuell. Zusammen mit rund 19’000 sportlich ziemlich Aktiven umkurvte ich den Vätternsee im Rahmen der Vätternrundan. Start war Freitagnacht um 22.18 und am Ziel war ich dann um 15.00 Uhr am Samstagnachmittag. Dazwischen liegen 300 km, 11 Stunden und 11 Minuten reine Fahrtzeit, knapp 1’000 Höhenmeter und diverse Pausen die ich an den Etappenorten eingelegt habe. Um zu essen, zu geniessen und zu beobachten. Die Fahrt selber beschreibe ich dieses Jahr nur kurz. Sie verlief nämlich absolut vergleichbar zu den Vorjahren. Lustig finde ich, dass meine reine Fahrzeit sich in den 3 Teilnahmen um weniger als 15 Minuten unterscheidet. Auch bei den Pausen bewege ich mich im einer Bandbreite von knapp 30 Minuten, die ich entweder mehr oder weniger pausiere. Schneller fahren geht fast nicht. Mein Tourenvelo hat oben raus keine Gänge mehr. Ich glaube, ich muss es mal mit einem Rennvelo probieren. Mehr Gänge, vermutlich etwa 3 x weniger Gewicht (bei mir wiegt die Packtasche wohl schon fast soviel wie ein modernes Rennvelo 😉), das wären wohl Welten. 

mein Logis, das Hotell Miskarp in Mjölby

Velo verpackt

und als Bausatz

Was ich auf der Route von Freitag auf Samstag erlebt habe folgt in Stichworten. Und heute Sonntag? Gingen die Erlebnisse munter weiter. Zum Glück habe ich nicht den Plan gehabt, bereits jetzt nach Hause zurückzukehren. Das wäre gar nicht gut gegangen, aber siehe weiter unten. 

Vätternsee mit viel Wind

noch nicht viel los – Abstellfläche für Velos (bewacht!)

cooler Name

der Start am Mittag, ca. 7 Stunden vor dem Beginn

hier ging’s dann durch am Abend

herrliches Wetter

Schwangere: ja, 300 km zu Zweit auf dem Velo, aber nur jemand trampt. Embryotours ist angesagt, zwei Mal sehe ich unterwegs schwangere Frauen. Ob die kommenden Babys dann gleich mit dem Velo aus dem Gebärsaal kurven? 

Karbonboliden: Mein (für mich relativ leichtes) Tourenvelo mit der Packtasche wiegt wohl zwischen 15 und 20 kg. So genau weiss ich das nicht. Die Karbonboliden die hier rumstehen, sind so leicht, die musst du im Wind festhalten. Ich male mir aus, wie viel flotter ich damit unterwegs wäre. Langsam aber sicher werde ich mir das überlegen müssen. Weniger von wegen „Karbon statt Kondition“ sondern einfach weils leichter auch Spass macht.

Servelathäute: die moderne Velobekleidung schmiegt sich dem Körper bekanntlich sehr eng an. Bloss: optisch sieht das bei der Mehrzahl der Teilnehmenden eher kritisch aus. Was sich da an Schmerbäuchen und Speckrollen im Nylonmantel durch die Strassen bewegt, puh. Verbunden mit den geschmacklich abenteuerlichsten Farbkombinationen ist das dann etwas schwierig anzusehen. 

Veteranen, Senioren, Drahtesel mit Körbli: Die Vätternrundan ist eine Volksvelotour. Die Veteranen, gekennzeichnet mit speziellen Startnummern, ziehen das knallhart durch. Mit klapprigen und rostigen Dreigängern kneten die Leute um den See. Und sie sind definitiv keine Teenager mehr. Sondern 70, 80 und älter. Da kannst du bloss noch Respekt haben. Was für eine Leistung. 

Pfundsdamen und Pfundskerle: Gleich nochmals Respekt. Für alle, die gewichtsmässig herausgefordert sind. Und da meine ich nicht das Velo. Sondern die pedalierenden Besitzer. Ehrlich: da sitzen Leute auf filigranen Velos, da kriegst du Angst vor einem Rahmenbruch. Aber sie sind fit und fahren die Strecke. Nicht mal langsam, sondern zügig. Echt beeindruckend, und das Vorurteil, dass alle mit zuviel Gewicht unfit sind kannst du hier gleich in den See werfen. Das ist nicht so. Ok, es gibt auch Ausnahmen, die liegen im Strassengraben und schlafen sich Energie für die letzten Kilometer an. 


nach ca. 250 km darf man müde sein



Tandem? Ja, gibt’s auch. Vom klapprigen alten Monark, das ist eine schwedische Velomarke, bis hin zum topmodernen Canondale-Geschoss sehe ich drei, vier Equipen die über die Strassen brausen.


Falter? Einen Engländer, wenigstens dem Akzent nach, sah ich bei der ersten Pause auf seinem Brompton Faltvelo herankurven. 300 km auf den kleinen Rädern? Ich habe keine Ahnung, ob er das Ziel gesehen hat oder nicht.



Schlotterwetter: grösstenteils war das Wetter toll, trocken und wolkenloser Himmel. Schon tagsüber war es eher frisch, ich fuhr mit langem Leibchen und langen Hosen. Nachts wurde es dann echt frostig. Bei 7 Grad oder weniger (morgens gegen 3 Uhr in Jönköping) fand ich es dann doch eher schlottrig. Aber mit der aufgehenden Sonne wurde es langsam wieder angenehmer. Spannend war’s vor Hjö etwa um 7 Uhr morgens. Da fuhr ich einem ausgiebigen Regenschauer hinterher, der sich über den See verzog. Wäre ich bloss 30 Minuten früher dran gewesen, es hätte mich gewaschen. Ach ja, und Gegenwind hatte es diesmal auch nicht zu wenig 🤨.


Feldküche

Überdosis 1: Weizenbrötchen weich mit Kardamom ist das Standardfutterteil das du an jedem Pausenort bekommst. Sättigt, ist leicht verdaulich und geht immer runter. Nach geschätzt 30 Stück der Dinger habe ich die Pappe für 1 Jahr gesehen. Gibt’s übrigens bei der letzten Pause auch in der Dopingversion. Aufgeschnitten und mit Honig bestrichen. Zucker gibt Kraft! 


Überdosis 2: Typisch Schwedisch ist die Blåbärsoppa. Gibt’s auch fast an jeder Pausenstätte. Warm oder kalt. Mundet gut, aber am Schluss hatte ich dann genug vom Gesöff. Wobei: warm tat es bei der Saukälte gut.

Soweit zur Velofahrt, die einmal mehr ein Vergnügen war. Nix tat weh nachher, keine Panne hatte ich und nach einem feinen Znacht und einem tiefen, guten Schlaf  war ich bereit für den heutigen Tag, der Überraschungen parat hatte. 


Nach dem Zmorge fahre ich mit dem Mietauto weg. Kurz nach der Wegfahrt erscheint eine Warnung im Display am Armaturenbrett. Akuter Luftmangel im Pneu vorne links. Nett, ich klicke das mal weg, die Meldung kommt aber wieder. Ein Blick auf den Pneu zeigt mir, dass sie korrekt ist. Es hat sich eine Schraube in den Gummi gebohrt. Somit: ab zur Tankstelle, Luft holen. Blöd ist nur: das hält nicht lange. Ich kann gerade mal knapp 40 Kilometer fahren bis sich das Auto vorne links wieder schwammig anfühlt. So rufe ich Volvo Assistance an und die schicken mir den Abschleppwagen. Wieder mal Schweden, wieder mit Abschleppwagen. Der Volvo geht in die Garage hier vor Ort und am Montagmorgen kann ich ihn wieder abholen. 

ein paar Gramm Schraube legen 2.7 Tonnen lahm

und tschüss, einmal Luft vorne links bitte, aber zuerst das Loch stopfen

Zum Glück habe ich das Velo. Das ich noch rasch aus dem Auto nehme bevor es abtransportiert wird. Und was hat das Velo? Genau, einen Platten. Diesmal hinten. Keine Luft mehr im Schlauch. Da muss ich wohl gestern gegen Schluss der Vätternrundan irgendwo was gefasst haben. Zum Glück habe ich Ersatzmaterial dabei. Der Pneu hatte eh einen Hick von einer anderen Panne. Somit mache ich einen Schlauch- und Pneuwechsel. Bin ich froh, ist bloss an meinen Gefährten die Luft draussen und nicht bei mir 😜. 

Löcher stopfen allenthalben

Noch ein paar Bilder mehr.

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