Der Fotograf braucht Eigenschaften und Glück

Was braucht der Fotograf? Viel, viel Zeit, Geduld, Durchhaltewillen und vor allem eine ruhige Art damit er nicht in Hektik ausbricht. Am heutigen Morgen ist die Morgenstimmung kurz vor 10.00 Uhr herrlich.  


kurz vor 10.00 Uhr in Hamn i Senja 
Bald wird es trüber. Ich mache mich trotzdem auf den Weg. Der Plan ist auf Walsuche zu gehen. Ich rechne mir ungefähr 0.001 % Chancen auf Erfolg aus. Einfach so drauflos fahren und in den Fjorden nach Walen Ausschau halten? Würde mir das jemand als Plan vorschlagen, ich würde laut lachen. Nun, wer nicht wagt der gewinnt nicht. Und eines habe ich hier ausnahmsweise: Zeit. Täglich ein Zeitfenster von ca. 10.00 Uhr bis 14.00 Uhr. Ein wenig abhängig von den Wolken. In dieser Zeit ist genügend Licht für Aufnahmen vorhanden. 

Ok, so ganz planlos düse ich nicht los. Ich steuere gezielt die beiden Fjorde an, in denen ich gestern ganz aus der Ferne Wale gesehen habe. Das erste Ziel ist die Aussichtsplattform direkt am Meer bei denen man die Teufelszähne vor sich hat. Als ich dem Fjord entlang fahre, linse ich mit dem linken Auge auf das Meer und meine eine Sinnestäuschung zu haben. Die Rückenflosse eines Schwertwals durchschneidet die Wasseroberfläche in unmittelbarer Ufernähe. Das gibt’s ja nicht! Das Auto stelle ich ab und rüste sofort die Kamera mit dem 400-er Tele aus. Zusammen mit dem 1.4-fach Konverter gibt das 560 mm. Beim herrschenden Licht passt das. Und es ist tatsächlich so. Ein Schwertwal fischt hier in aller Ruhe. Er taucht auf, er taucht ab, er taucht auf, und so geht es immer weiter. Wo ein Schwertwal ist, müssten auch andere sein. Denn die Tiere sind in Gruppen unterwegs und jagen auch im Team. Weit draussen sehe ich weitere Rückenflossen im Wasser. Kommen sie in den Fjord? Ich bin nicht so sicher. 

Da das dauern kann bis sich die Lage klärt, fahre ich rüber zum übernächsten Fjord. Um zu sehen, ob dort allenfalls Buckelwale aktiv sind. Die Lage ist rasch geklärt. Nichts ist los. Wie ich das merke? Erstens hat es keine Mövenschwärme über dem Wasser und zweitens sehe ich keinen Wal blasen. 

Somit alles wieder zurück zum ersten Punkt. Hier ist jetzt mächtig etwas los. Eine ganze Gruppe Schwertwale ist auf Heringsjagd. Herrlich ist es, den Tieren zuzusehen. Sie sind so nahe, da ist Whalewatching auf dem Schiff schon fast ein Witz. Die Tiere sind zum Teil bloss 5 m vom Ufer entfernt. Mein Standort ist ein wenig erhöht und so um die 50 m weg. Und er ist super. Ich renne hin und her (von wegen keine Hektik). Denn die Tiere sind schnell. Sie jagen im Gruppenverband und kreisen die Heringsschwärme ein. Das sieht toll aus, auch wenn die Tiere immer wieder wegtauchen. Das Wasser kocht zum Teil richtig vor lauter Heringen. Wie im Film ist das. Das einzige was fehlt, sind springende Schwertwale. Aber wir sind hier ja nicht im Delphinarium (Schwertwale gehören zur Familie der Delpine) sondern in der freien Natur am Nordatlantik. 

Ich bin mehr als eine Stunde vor Ort und habe kalte Füsse. Die Faszination ist so gross, ich bleibe und schaue und staune. Plötzlich scheint die Sonne von links in Richtung Fjordausgang. Sie spiegelt sich auf den nassen Tieren. Das sieht einmalig schön aus. Ich bin teilweise alleine hier. Manchmal hält ein Auto und iPhone-Fotos werden geschossen. 

Und dann kommt der Schlagrahm auf den Kuchen. Zwei Buckelwale tauchen auf. Sie jagen zusammen mit den Schwertwalen. Die Heringe sind nahe unter Wasseroberfläche (die Schwertwale jagen sie nach oben). So bewegen sich die Buckelwale ganz nahe an der Wasseroberfläche. Tauchen aber nicht ab wie sonst üblich. Somit sehe ich keine Schwanzflosse, aber den Rücken. Auch die Buckelwale kommen ganz nah ans Ufer. Ich staune. Und knipse zwischendurch mal wieder. Das Schauspiel ist einzigartig. Das ist Natur pur. Ich bin echt glücklich. 

Üblicherweise sind Schwert- und Buckelwale Konkurrenten und bekämpfen sich sogar. Ausser in diesen raren Momenten des Nahrungsüberflusses. Da kommen sie zusammen und funktionieren als Team. Für kurze Zeit war eine Walbeobachterin mit mir am Fotografieren. Sie geht das ganze Jahr auf Walpirsch und war ebenfalls hin und weg von der heutigen Situation. 

Um 14.00 Uhr bin ich retour in der Wohnung. Denn plötzlich wurde es dunkel und eine Schneefront zog vorüber. Mal sehen, ob es heute nochmals aufklart. Gemäss Wetterbericht sollte das zwischen 19.00 und 22.00 Uhr der Fall sein. Je nach dem gehe dann nochmals raus. Eines ist aber jetzt schon sicher: Nordlichter hatte ich prächtige und heute kamen die Wale hinzu. Das ist mehr als ich je zu hoffen gewagt habe. Ich schliesse mit Zeit, Geduld, Durchhaltewillen und heute kam noch eine gehörige Portion Glück dazu. Keine schlechte Kombination. Ich bin dankbar dafür.

Die Fotosammlung liegt übrigens hier und ich hoffe, sie gefallen :-). Hier eine kleine Auswahl aus der Kollektion: 


Schwertwal mit Begleitschutz

Alte Bekannte – die Eiderenten sind auch wieder da 

Herrlich wie der Schwertwal vorbeizieht

das Wasser „kocht“ – ein Heringsschwarm 

ab nach unten wo die Heringe warten 

Rückenflosse eines Buckelwals 


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