Dem Bündner Alptraum auf der Spur

Etwas zweideutig ist er der Blogtitel. Die Inspiration zur heutigen Tour hatte ich vor vielen Jahren. Aktiv wieder geweckt worden ist sie vor zwei, drei Wochen. Als ich das Buch „Bündner Alptraum“ von Philipp Gurt gelesen habe. Spannend ist, neben den Büchern die er schreibt, seine Lebensgeschichte. Ein Einblick in aus heutiger Sicht trübe Abschnitte unseres Sozialsystems. Zurück zum Buch. Zwei der Hauptschauplätze sind die Alpen Curtignatsch und Nurdagn. Beide Alpen liegen direkt nebeneinander im Beverin-Gebiet. Hier wiederum liegt die SAC Cufercalhütte. Die will ich schon seit Jahren besuchen. Ein Blick auf die Karte resultierte in der heutigen Tour. Eine lange Runde vom Parkplatz auf Caschliun (2295 m) am Fuss der Tguma da Tumpriv. Da Gabi dieses Wochenende mit ihrer Schwester unterwegs ist, bin ich alleine unterwegs.

Wetterküche am Start

Stimmung pur 


Sieben Grad hat es am Morgen als ich losgehe. Ziemlich frisch. Die Berge sind verhangen, die Wolken wabbern herum und stellenweise hat es Nebel. Mystisch ist die Stimmung als ich zu den Alpen gehe. Im Hinterkopf habe ich das Buch. Dessen Geschichte zum heutigen Wetter perfekt passt. Auf meinem Weg nehme ich wahr, wie viele Murmeltiere hier herumwuseln. Es ist unglaublich. Die totale Überbevölkerung. Scheu sind sie gar nicht, teilweise sogar richtig vorwitzig. Ich habe das Gefühl, über die Liegewiese der Muggenwellnessanlage zu wandern. 




Flott gehe ich weiter. Ich muss warm werden. Bald kommt bereits einer der Höhepunkte des Tages. Neben dem Wetter, das weiterhin wunderschöne Stimmungen liefert, ist das der Lai Grand. Der See liegt perfekt am Fusse der Pizzas d’Anarosa (Grauhörner). Diese tauchen gerade aus den Wolken auf als ich ankomme und die Sonne beleuchtet sie. Die Stimmung ist prächtig. Total alleine kann ich die Eindrücke geniessen. Bald geht es weiter zum nächsten See. Dem Lai Pintg. Der wiederum leuchtet türkisblau und hat einen Ausfluss der wunderbar mäandert. Das wir so etwas in unseren Alpen noch haben. Herrlich! 

Lai Grand mit Pizzas d’Anarosa (Grauhörner)

Lai Pintg


Bis jetzt habe ich fast keine Höhenmeter gemacht. Das ändert nun schlagartig. Den Markierungen nach, denn Wege hat es so gut wie keine heute, finde ich im Nebel den Einstieg zur Farcletta digl Lai Pintg. Es sind zwar bloss 250 Höhenmeter vom See hinauf auf den Passübergang. Aber die haben es in sich. Erstens hat es „nette“ und sacksteile Schneefelder. Zwei davon muss ich gerade hinauf durchqueren. Das geht dank den Stöcken gut. Zweitens ist der Boden eine lebendige und brösmelige Schiefermasse. Zwei Schritte, ein Schritt zurück und alles bewegt sich. Das gilt für die Berge ringsum genauso. Es bröckelt und bröselt laufend. Der Aufstieg geht ziemlich in die Beine. Dafür ist es oben auf der Farcletta schön. Es zieht zwar etwas kühl, dafür bricht immer wieder die Sonne durch. Ich sehe die Cufercalhütte, die noch rund 30 Minuten weg ist. Dort mache ich Pause, bei Kaffee, Kuchen und Bier. Das Suferser Bier ist eine Empfehlung wert. So süffig. Die Cufercalhütte ist eine nette, kleine und traditionelle SAC-Hütte. 


Hinten der Piz Tambo 


Weiter geht es bergauf zum Lai da Calandari. Meinem dritten See den ich heute besuche. Die Nummer vier sehe ich von der Hütte aus im Tal. Es ist der Sufnersee. Beim Aufstieg zum See sehe ich die Schneehühner, die bereits bei der Hütte unten mit ihrem typischen Klackern ihre Anwesenheit verraten haben. Zehn Stück laufen hektisch hin und her. Fotografieren geht nicht. Sie lassen mich immer herankommen. Und wenn ich bereit bin, flattern sie wieder weg. Zweimal lasse ich den Spass mit mir machen. Dann reicht es mir. 

Beim Lai da Calandari


Weiter weglos, aber markiert, steige ich auf zum namenlosen Gipfel mit Steinmann beim Punkt 2374. Oben gibt es eine Pause. Was für eine Runde. Viele Kilometer und nur mässig Höhenmeter. Aber Natur pur und viel Konzentration. Fast alles ist weglos. Die Markierungen muss ich immer im Auge haben. Sonst verfranse ich mich. 

Hinab zur Alp Nera und weiter wieder hinauf zu den beiden Alpen vom Anfang geht die Strecke. Das müsste jetzt nicht wirklich sein. Aufstiege am Ende einer Tour liebe ich mässig. Der Weg wird mir einmal mehr versüsst. Die Murmeltiere hier sind der Hammer. Einer hockt unter einem Stein und lässt mich bis auf einen Meter herankommen. Das Tier tut so, als ob ich dazugehöre. Er wuselt herum, mampft etwas, schaut mal wieder zu mir herüber. Als ein anderer Geselle wegen einem Greifvogel Alarm pfeift, kommt er erst recht hervor, prüft die Lage, schaut mich wieder an, hockt ab und entscheidet sich schlussendlich direkt vor mir über die Wiese zu laufen. Unglaublich. Die Tierchen haben übrigens im Buch gefehlt. 


Schlusspanorama am Ziel


Am Ende haben ich mässige 1000 Höhenmeter auf dem Zähler, dafür war ich 20 km, und mit allen Fotohalten, und das waren viele, 8 1/2 Stunden unterwegs. Die Runde ist eine Wiederholung wert. Hoffentlich wieder mit all den Murmeltieren. Die sind hier in einmalig grossen Zahlen unterwegs. 

Der Bildersturm von heute. 

Die Route. 


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