Wenn Deppen schrauben gibt es Kilometer

Dreiländerroute, 2. Tag. Nach einer heissen Sommernacht in Lörrach geht es weiter gen Mulhouse. Wir brechen erst kurz vor Mittag auf. Denn heute sollen es bloss etwa 60 km werden. Wenn wir wüssten, was wir am Ende erleben wären wir wohl früher aufgebrochen. Der Tag steht irgendwie im Zeichen von speziellen Erlebnissen und endet mit über 86 km.


Es beginnt schon ganz früh, als ich mich anziehe und mein Veloleibchen vorne an der Brust reisst. So richtig satt, das Loch ist gross wie ein Tennisball. Und mein Wollleibchen ein Fall für den Abfallkübel. Denn das Gewebe ist langsam durchsichtig. So alt war es noch gar nicht. Aber halt gebraucht und wenn in Betrieb praktisch dauernd im Salzwasser. Das macht die stärkste Schafwolle schwach. Aber Mann hat ja ein 2. Leibchen mit dabei. 


Die Route verläuft zuerst in stetigem Auf und Ab durch das Markgräflerland. Der Kander entlang zum Beispiel. Ob da die Berner ins Baden Würtembergische expandiert haben? Nun, meistens ist die Route schön. Ausser dann, wenn der Veloweg der Bundesstrasse entlang führt. Da ist der Verkehr manchmal störend. Grosso modo passt es. Heiss ist es heute. Aber zum Glück nach wie vor nicht schwül. Viel trinken ist angesagt. Es hat an der Strecke immer wieder Brunnen. Da sprudelt erfrischend frisches Quellwasser aus dem Hahn. Soooo fein :-). 


Irgendwann nach dem Mittag drehen wir langsam bei und kurven gen Rhein. Den wir bald überqueren. Und somit das 3. Land der Tour „befahren“ – Frankreich. Mit einem Schlag sind die Dörfer wie ausgestorben. Da hat es keinen Laden und wenn es mal eine Beiz hat, ist die garantiert zu. Ziemlich öde im Vergleich zu den lebendigen Dorfkernen in Deutschland. Und ziemlich blöd für uns. Denn wir wären reif für eine eisige Abkühlung namens Glacé. Tja. 


Die Route führt weiter über Felder und die Rheinebene. Wir kreuzen eine Strecke, die zu meiner Kölntour von 2015 gehört hatte. Am Rhône-Rhein Kanal erleben wir dann den absoluten Höhepunkt. Die Typen, die dort die Velowegschilder angeschraubt haben sind wohl infolge akutem Mangel an Gehirnzellen zu Naturejoghurts mutiert oder amten irgendwo als Einzeller. Ein veritabler Schilderbaum steht an der Route. Zwei (2) grosse Tafeln weisen den Pedaleur auf einem neu geteerten Veloweg nach Mulhouse. Dumm ist bloss, dass dieser Veloweg nach ein paar Kilometern zu einem Kiesweg der gröberen Sorte mutiert. Der dann nochmals ein paar Kilometer weiter abrupt an einem Bahnbord endet. Noch viel blöder ist, dass sich links der Rhône-Rhein Kanal befindet und Velos irgendwie schlecht schwimmen. Rechts erstreckt sich die Bahnlinie auf ihrem hohen Damm, wo klar kein Durchkommen ist. Wir kraxeln das Bahnbord auf einem Trampelpfad rauf. Und prüfen die Option, den Kanal auf einer Eisenbahnbrücke zu queren. Das ist aber viel zu heikel, denn die Linie ist befahren. Und auf der anderen Seite der Brücke wäre es einen steilen Trampelpfad wieder runtergegangen. Somit fluchen wir herzhaft, sitzen wieder auf den Sattel und fahren zurück zur letzten Brücke, die sich auch mit Velos queren lässt. So addieren wir lockere 20 km zu unserem Tagespensum. Die Freude darüber hält sich in sehr, sehr engen Grenzen. Auf unserem Rückweg treffen wir weitere Velofahrer die sich ins Elend bewegen. Ob sie unsere Warnung verstehen und ernst nehmen?


Schlussendlich erreichen wir Mulhouse ziemlich ausgetrocknet und erhitzt. Die Suche nach dem Hotel mit Google Maps erweist sich ebenfalls als sackmühsam. Die doofe App macht was sie will. Gibt es eine Gasse hier im Stadtkern von Mulhouse, die wir nun noch nicht kennen? Ich glaube nicht. Manche Ecken sind bereits wohlbekannt. Am Ende finden wir das Maison Mondrian dann doch noch. Ebenfalls ein Bijou, die Suche hat sich gelohnt. Zu Abend essen wir in der Stadt – es gibt heute Flammkuchen, die lokale Spezialität. 


Interessant ist noch dies. Mulhouse heisst auf Deutsch Mülhausen. Also nicht Müllhausen. Wir wähnen uns aber eher dort. So um 19.00 Uhr geht es los. Kehrichtwagen um Kehrichtwagen, klein und gross, saust durch die Gassen im Stadtzentrum und die Männer sammeln den Abfall ein. Das ist wirklich sehenswert. Wie viele Kehrichtwagen wir gesehen haben wissen wir nicht. Es waren aber ausserordentlich viele. Die Stadt ist jetzt sicher sauber für das Wochenende. 


Als Höhepunkt des Abends besuchen wir das Lichterspektakel in der Altstadt auf dem Platz vor der Kirche. Vom 28.07.2016 bis 07.08.2016 finden zum zweiten Mal die „Nuits Rouges“ statt. Konzerte und andere Veranstaltungen werden durchgeführt. Jeden Abend werden Projektionen auf die eh schon schönen Hauswände hinter der Kirche gelegt. Dieses Jahr ist es Geschichte aus Mulhouse im Schnelldurchgang. Das sieht wirklich toll aus. Und entschädigt uns für den heutigen „Stress“ in Sachen Route und Wegweisern die einem ins Elend führen. Die Bilder gefallen auf jeden Fall. Sogar die Fassade unseres Hotels erkannten wir in den Bildern wieder :-). 


Die Bildersammlung ist hier

Oben links: Veloparkplatz im Hotelzimmer in Lörrach 🙂

Lichtprojektionen auf Häuserfassaden in Mulhouse

Dieselbe Fassade ein wenig später … 

Dann mal so …

Manche mögen es blumig. 





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