Vätternrundan 2023 – 315 Kilometer schwitzen

Der tierische Einstieg

Vor dem Ferienhaus ruft am Freitag, einmal mehr, der Fasan. Im Gegensatz zu sonst zeigt er sich diesmal und lässt sich sogar fotografieren. Und jetzt, am Sonntagnachmittag, als ich am Tippen bin, spaziert er direkt vor unserem Sitzplatz in aller Seelenruhe vorbei. Toll ist das. Gestern Abend grasten auf der Wiese vor dem Haus vier Feldhasen die längste Zeit wie die Kühe. Wir wohnen hier wirklich naturnah. Auch der Elch fehlt nicht. Den sehen wir bei der Anfahrt an den Start der Vätternrundan. An der Autobahn, hinter dem Zaun, zupft er an Ästen herum.

unser ständiger Gast in der Umgebung es Ferienhauses
links vom Veloständer spaziert er wieder

Supporterinterview und Start mit Service

Freitagabend, um 20.36 Uhr, starte ich zu meiner langen Runde um den Vätternsee. Dieses Jahr darf ich vom perfekten Support durch Gabi profitieren. Sie bringt mich mit dem Auto nach Motala, begleitet mich bis zum Start und holt mich am Samstagnachmittag wieder ab. Kein Vergleich zu den logistischen Hosenlupfübungen der Vorjahre, die ich jeweils managen musste. Gabi wird sogar noch vom Vätternrundan eigenen Fernsehen interviewt. Ein bleibendes Erlebnis.

entspannt vor dem Start (nervös war ich vorher)

Eine hübsche Pause

Wir wohnen in der Gemeinde Ödeshög. Da ist, nach 47 Kilometern, die erste Pausenstation. Was es möglich macht, dass Gabi mich hier wieder begrüssen kann. Ich freue mich über diese hübsche Pause. Dann pedaliere ich weiter, in die Nacht hinein. Gabi fährt in fünf Minuten zurück ins Haus und kann ins Bett. Das sehe ich am Samstagabend wieder. Die Nacht von Freitag auf Samstag verbringe ich im Sattel.

Strecke mit den Pausenstationen
Eishalle Jönköping um 01.30 Uhr
Das gibt Kraft für die nächsten Kilometer
Hjo um 06.15 Uhr – und 171 km – da kommt langsam die Müdigkeit

Ein Riss mit Folgen

Unterwegs bin ich so ziemlich 1:1 im selben Takt unterwegs wie in den Vorjahren. Schneller fahren geht mit dem Tourenvelo nicht. Da habe ich bis knapp zur Hälfte jeweils einen 25 km/h Schnitt, der dann runtergeht und sich bei 17 – 18 km/h einpendelt. Das ist primär vom Wind und den Steigungen abhängig.

Der Knick im Plan folgt zwischen Jönköping und Fagerhult. In der Gegend von Kilometer 115 verhält sich meine hintere Gangschaltung plötzlich eigenartig. Schalten wird schwierig. Einige Schaltvorgänge gehen noch, dann operiert der Ganghebel plötzlich ohne Wiederstand. Zum Glück habe ich auf der mittleren Scheiben den grössten Gang drin. Wäre das auf der grossen Scheibe der grosse Gang, ich müsste ganz schön kneten über die vielen kleinen Steigungen. So geht es. Bis Fagerhult fahre ich mit einem Gang durch. Im Vergleich zu den Rennvelos, die hier praktisch ausnahmslos nur über eine Scheibe verfügen, habe ich den Luxus was die Schaltung angeht.

Bei jeder Pausenstation hat es ein Mechanikerzelt. Die Organisation der Vätternrundan ist wirklich 1a. Der Mechaniker kann mein kaputtes Gangkabel ersetzen. Braucht dafür aber zwei Anläufe und über eine Stunde. Zuerst übt er elend lange bis er rafft, wie das Kabel reinmuss. Dabei habe ich eine Standardschaltung von Shimano. Dann gibt er mir das Velo zurück. Ich kontrolliere kurz und stelle fest: Supermüll! Das Gangkabel ist straff über das Tretlagergehäuse gespannt. Ich zeige es dem Mechaniker und wir sind uns einig: So klappt das nicht. Ich zeige ihm, wo das Kabel durch die Führung am Tretlager muss. Nämlich so, wie das Kabel für die vordere Schaltung. Da hat es eine Führungsschiene mit Öse. Das würde man sehen, wenn man schauen würde. Die unschöne Konsequenz: Er muss alles nochmals neu machen. Ich warte nochmals über 30 Minuten. Dann ist das gefixt. Der Preis ist mit Fr. 25.00 günstig, ob das mit der Qualität zusammenhängt? Aber ehrlich: ich bin heilfroh, konnte das repariert werden. Sonst hätte ich einpacken können.

Velo beim Mechaniker in guten Händen?

Was ich erst beim Fahren merke ist, dass die Gangschaltung miserabel eingestellt ist. Spontane Sprünge begleiten mich bis zum Ende der Runde. Allzuschlimm ist das zwar nicht. Aber im Vergleich zur butterzart synchronisierten Schaltung am Anfang ist das ein Gefühl als fahre ich Traktor. Speziell ist auch, dass ich für den Gang, den ich meistens brauche, zuerst zwei Gänge rauf, dann wieder zwei runter und wieder 1 rauf schalten muss. Mache ich das nicht, raffelt es wie gestört. Am Ziel lasse ich die Schaltung dann noch im Shimano-Zelt richten. Hoffentlich passt sie nun wieder besser. Der Test wird bald erfolgen.

Panoptikum der Bevölkerung

Die Velorunde zieht einen bunten Menschenmix an, 16’000 an der Zahl für die grosse Runde. Was ich da nicht alles sehe. Es ist eine Freude. Allen gemein ist die Tatsache, dass sie sich über 315 Kilometer durchbeissen. Bei einigen Teilnehmenden macht man sich fast schon Sorgen um deren Gesundheit. Kommt das gut, wenn sie sich solch einer Belastung aussetzen? Aber egal, ob sie federleicht als Rennspargel auf einem Carbonboliden mit über 40 km/h im Schnitt durch die Gegend fliegen. Oder sich auf dem alten Crescent-Eingänger über die Route quälen. Sie packen die Herausforderung und der grösste Teil kommt ins Ziel. Carbonrennvelo in Kombination mit Birkenstöcken an den Füssen sehe ich. Genauso wie den Veteranen auf seinem Dreigänger mit Körbchen und den Cloggs an den Füssen. Alte Tandems rattern über den Asphalt genauso wie die Veloclubs, die mit über 30 Fahrerinnen und Fahrern ihr ganz eigenes Erlebnis gestalten. Auch ich mit meinem Tourenvelo und der Tasche gehöre zu den Exoten. Rennvelos sind klar in der Mehrzahl. Platz hat es für alle, und das macht den Reiz aus. Weil es kein Rennen ist sondern ein buntes Zusammenkommen von Menschen, die Freude am Velofahren haben.

Streckenänderung für Wadenbeisser

Aus Sicherheitsgründen ist die Strecke im letzten Drittel angepasst worden. Was 15 Mehrkilometer zur Folge hat. Plus, und das ist der anstrengende Teil, satt Höhenmeter bringt. Die neue Route führt über eine schöne Nebenstrasse, die aber dauernd auf und ab geht. Das sind immer mal wieder 50 Höhenmeter. Nach 250 Kilometern und in der brütenden Sonne reicht das. Und bringt viele Mitfahrende an den Anschlag oder darüber hinaus. Das sehe ich an der Anzahl der Leute die am Strassenrand anhalten müssen um sich zu erholen. Oder bei der leichtesten Bodenwelle ihre Velos schieben müssen. Die Strasse ist auch die Quelle für manchen Defekt. Nirgends sehe ich mehr, die Plattfüsse reparieren als auf diesen rund 30 Kilometern. Der streckenweise feine Sand auf dem Asphalt durchbohrt so manchen Schlauch. Ich zähle über 10 Personen, die am Flicken sind. Von hier sind es noch über 50 Kilometer bis ins Ziel. Am Ende sind es 315 Kilometern mit ca. 1’500 Höhenmetern.

Verhältnisse nahe am Topzustand

Die ganze Runde konnte ich bei trockenem Wetter und, in der Nacht, angenehmen Temperaturen, fahren. Zu Beginn am Freitagabend mit Bewölkung, so war es knapp zwei Stunden lang doch ziemlich dunkel. Aber vor 02.00 Uhr kam die Helligkeit zurück und kurz nach 04.00 Uhr schien wieder die Sonne. Die laufend mehr aufheizte, bis es gegen Samstagmittag sehr, sehr warum wurde. So geschwitzt habe ich auf der Vätternrunde noch nie. Sogar nachts, als es in Fagerhult gegen 10 Grad runterging.

Das Fazit

Es ist wieder ein absolut tolles Erlebnis gewesen. Auch wenn der Defekt nicht nötig gewesen wäre. Im Total hatte ich in etwa dieselbe Zeit wie in den letzten Jahren. Es ist zwar kein Rennen, aber irgendwann willst du trotzdem am Ziel sein. Vor allem wenn es, wie dieses Jahr, heiss ist und dir die Sonne auf den Helm brennt. Gestern dachte ich für mich, dass es das nun ist. Sechs Mal war ich am Start, fünf Mal fuhr ich die Runde zu Ende. Bloss letztes Jahr stieg ich aus, weil ich ein Mietvelo hatte, der Sattel und auch das Wetter ganz und gar nicht passten. Heute überlege ich bereits wieder, ob … und so wird es sich zeigen, was ich im 2024 machen werde. Noch ist Zeit und entscheiden muss ich mich erst später. Im Hinterkopf liegt die Idee, was wohl möglich wäre mit einem passenden Rennvelo. Das ich nicht habe. Schauen wir, zu welchen Entscheiden die Faszination für diese Velorunde führen wird. Nur wer das einmal selber erlebt hat, kann es wohl nachvollziehen. Denn 315 km mit dem Velo irgendwo durchfahren kann man ja überall.

Und zum Schluss noch dies

Bilder der Halvättern vom 11.06.2023

Sehenswerte Eindrücke unserer 150 Kilometer Halvvättern vom Sonntag.

Zielankunft Halvvättern

Dasselbe wird es, so alles klappt, auch nächstens von der grossen Vätternrundan geben.