Reisen bildet – das letzte Bollwerk vor den Russen

Zum letzten Mal wache ich in Malangen auf und schaue aus dem Schlafzimmerfenster. Ich traue meinen Augen nicht. Der Fjord ist über Nacht zugefroren! Das Wasser ist hier offenbar nicht tief. Sonst würde das nicht klappen. Die bis jetzt schon herrlichen Stimmungsbilder sind gleich nochmals übertroffen. 

Fjord on ice – in Malangen 


Mit diesem Bild vor Augen mache ich mich auf den Weg in die Lyngenalpen. Gut 120 km sind das mit dem Auto. In Storsteinnes halte ich kurz an. Ich brauche eine Salzwasserlösung für meine Nase. Die kalten Temperaturen fordern ihren Tribut. Ich bin etwas erkältet. Hoffentlich bringe ich die Nase bis Sonntag einigermassen frei. Sonst wird der Heimflug mit dem Druckausgleich dann mühsam bis schmerzhaft. Das Dorf ist ein Standort des norwegischen Militärs. Was ich schnell merke. Ich gerate in einen Konvoi mit Raupenfahrzeugen. Mit denen fährt die Armee in die Wildnis. Schmuck hängen vorne Schneeschuhe an den Fahrzeugen. Was ich nicht weiss: die Militärgeschichte Norwegens wird mich heute noch einmal beschäftigen. 


Schneeschuhtransporter der norwegischen Armee


Ein Stück fahre ich auf der E6. Die ich vom Sommer 2013 und vom Winter 2016 her kenne. Dann geht’s rechts weg gen Lyngenalpen. Über eine schmalere Strasse in typisch norwegischer Qualität. Es geht auf und ab und schaukelt. Ich glaube, ich habe Wellengang. In Lyngseidet kaufe ich kurz ein. Der Ort ist klein und von 2013 weiss ich, was wo liegt. Darum fahre ich den Supermarkt direkt an. 


die sanfte Seite der Lyngenalpen


Dann geht es weiter nach Åroybukt. Das liegt genau 11 km ausserhalb von Lyngseidet, kurz vor dem Ende der Strasse. Hier habe ich eine Ferienwohnung gebucht. Der Besitzer mailte mir, dass der Schlüssel stecke und ich einfach rein könne. Er komme dann später. Und siehe da: der Schlüssel steckt, ich gehe rein, lege den Schlüssel ab, gehe wieder aus und mache die Tür zu. Es ist ja kalt draussen. Mit Gepäck komme ich vom Auto her zurück. Und die Tür ist und bleibt zu. Schnappschloss 😡. Ich habe mich selber ausgesperrt. Zum Glück habe ich den Autoschlüssel im Sack. Jetzt gibt es halt eine Besichtigung der Gegend. Ich habe gut 1 1/2 Stunden Zeit. Dann sollte der Besitzer hier sein. 


im Haus rechts wohne ich – davor steht das Mietauto – nicht übel die Lage 😉


In der Zwischenzeit finde ich interessante Lokalitäten: die nördlichste Whiskydistellerie Europas. Da werde ich wohl am Samstag hingehen. Ich treffe den Eigentümer und er sagt mir, dass morgen Freitag nur geschlossene Gruppen bei ihm sind. Aber am Samstag kann ich mich einer Gruppe anschliessen. Ich denke, das werde ich mir nicht entgehen lassen. Ich hätte gleich dort bleiben, Kaffee trinken und warten können, bis ich in meine Wohnung kann. Ich verzichte. Das Wetter ist zu schön. 


Schon wieder so ein Kalenderbild


Mir fallen gleich bei der Distillerie alte Bunker und Armeegebäude auf. Wo bin ich denn hier gelandet? An einem für Norwegen wichtigen Punkt. Im Lyngen Fort. Diese Befestigungslinie ist nach dem 2. Weltkrieg gebaut worden und stand den kalten Krieg über im Einsatz. Erst im Jahr 2000 wurde alles geschlossen. Ich denke an eine norwegische Fernsehserie zurück, die ich im Jahr 2016 geschaut habe. Da hatten die Russen Norwegen annektiert. Topaktueller Stoff des bekannten norwegischen Autors Arne Dahl. Ich google das Thema und finde diesen Artikel (Englisch). Der bringt das Thema auf den Punkt. Das ist genau das, was mir durch den Kopf ging. Aktuell sind Norwegen und Schweden daran, ihre Armeen zu modernisieren. Putin lässt grüssen. 



Kurz nach 16.00 Uhr treffe ich Svein, den Besitzer der Wohnung. Er wohnt im Haus nebenan. Er lädt mich zu einem Kaffee ein. Am Ende gibt das ein spannendes und langes Gespräch. Svein ist CFO einer neuen Fluggesellschaft (FlyViking), die bald abheben wird. Er ist wohl um die 60 Jahre alt und hat lange als IT Projektmanager gearbeitet. Wir deklinieren Firmen durch, die beide seit den späten 1980-er Jahren kennengelernt haben. Er erzählt mir etwas von der neuen Fluggesellschaft und ich frage ihn zum Businessplan. Ein spannender Austausch. Den wir vielleicht morgen Freitagabend bei einem Wein weiterführen werden. In der Wohnung, wo ich ein extrem schnelles Internet habe, recherchiere ich über den Hauptinvestor für die neue Fluglinie. Und finde beim norwegischen Fernsehen interessante Berichte und Videos. Da wird ein Stück norwegische Wirtschaftsgeschichte geschrieben. Dazu kommen Feindschaften und Rachegedanken. Die kämpfenden Wikinger lassen grüssen. Das ist nun wirklich sehr, sehr spannend. Die in sanftes Licht getauchte Landschaft und mittendrin findet ein knallharter Wirtschaftskrimi statt. Reisen ist spannend und bildet 😃. 


Die Bildersammlung der Lichterwoche liegt hier

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.