Brennnesselkur im Urwald von Valzeina

Das komische Wetter hält an. Die Wolken hängen tief und es ist dunstig. Zum Glück weht der Wind. Sonst hätte man fast das Gefühl, unter einer Dunstglocke zu sitzen, in der die Welt still steht.

Der Fall ist klar. Heute werden wir wieder in tiefen Lagen aktiv sein. Höchstens 1300 Meter sind ok, denn oben hängen die Wolken den ganzen Tag herum und verbergen alle Gipfel. Wir hecken eine Route aus, deren Einstieg uns schon länger wundernimmt. In der Chlus, dem Eingang zum Prättigau, geht ein Wanderweg unter einer alten Galerie in Richtung Felswand hoch. Die Felswand prägt den Eingang zum Prättigau.

Der Einstiegsort bietet gleich zu Beginn Abwechslung. Die Landquart verschwindet in zwei Schlitzen. Das Wasser wird turbiniert und erscheint erst später wieder im Flussbett. Kaum losgegangen, prangt ein alter Armeebunker am Wegesrand. Hübsch getarnt mit aufgesetzten Felsblöcken. Nicht viel weiter gibt es diverse Nischen im Fels und bald geht ein schmales Weglein links weg. Abgesperrt mit einer neuen Metalltüre. Die unschwer umgangen wird. Bald stehe ich vor dem Eingang zu einer alten Festung. Die Recherche im Internet sagt, dass es sich hier um die Sperrstelle Chlus handelt. Die in den 1940-er Jahren gebaut wurde und in der Zwischenzeit geleert und stillgelegt ist. Die Tür ist sicherheitshalber zugeschweisst. Weiter oben gibt es noch einen Eingang in den Berg. Am Abend habe ich diesen Artikel gefunden. Der beschreibt, wie der Bunker im Jahr 2016 komplett ausgeräumt worden ist. Die Chlus wiederum ist schon lange ein Ort, der bei der Verteidigung des Prättigaus eine wichtige Rolle spielt. Man sieht die Ruinen der Burg Fracstein, da war man schon seit 1300 oder noch früher aktiv.

alte Stellung für Maschinengewehre
schroffes Gelände im Aufstieg
trübe Aussichten allenthalben

Schon am 1. August schrieb ich im Blog vom Bunker auf dem Chrüz. Der zur Sperrstelle St. Antönien gehört. Da ist auch alles stillgelegt und Geschichte. Was ich erst heute gelesen habe ist, dass die Wurzeln der bekannten Älplibahn, hinauf an den Fuss des Vilan, ebenfalls einen militärischen Ursprung haben. Die Berge hier oben sind löchrig wie Schweizer Käse.

Zurück zu unserer Wanderung. Die führt dem alten Weg entlang im Buchenwald steil bergauf. Das Gelände ist schroff, viel Altholz liegt herum. Der Wald wird seit 2018 nicht mehr bewirtschaftet und ist für mindestens 50 Jahre ein Schutzgebiet.

Weiter oben, als wir die Steilstufe hinter uns haben, folgen die ersten Gebäude auf den Alpen des Valzeinatals. Wer Abgeschiedenheit und Einsamkeit sucht, ist hier bestens aufgehoben.

Für uns geht es weiter. Auf den Haupt steigen wir nicht. Der ist oben von Nebel verhüllt. Da man vom Gipfel, wegen der Bäume, eh nicht ins Tal sieht, nehmen wir einen Weg weiter unten. Der nicht als Wanderweg markiert ist. Durch den lichten Buchwald mit den hohen Bäumen, geht es Richtung Cavadura. Wir machen mitten auf der Wiese Mittagspause und geniessen die Sonne, die angenehm wärmend in Teilzeit scheint. Ist es schattig, kühlt die mässig wehende Bise teilweise eher stark. Vor allem treibt sie dauernd neue Wolkenpakete ins Tal. Was für ein Unterschied zu den Hitzetagen der vergangenen Woche.

Blick ins dunstig verhangene Prättigau
nette Überraschung
auch Valzeina kommt trüb daher

Bei Eggen startet dann das, was zum kleinen Abenteuer wird. Gemäss Karte soll es hier einen Weg geben. Wir sagen dem eher Wegspur. Die führt zu einem Durchgang, der uns durch ein Felsband bringt. Dahinter? Da folgt der Urwald. Bäume liegen kreuz und quer herum. Totholz knackt bei jedem Schritt. Von einem Weg ist eher nichts erkennbar. Dank GPS wissen wir, wo ungefähr wir hin müssen. Es geht über Bäume und auch unter ihnen durch. Plötzlich stehen wir vor viel grünem Kraut. Fast kopfhoch wuchert es. Stachlige Brombeeren, sonstiges Grünzeug und vor allem die netten Brennnesseln machen uns Freude. So in kurzen Hosen und T-Shirt sind die brennenden Dinger echt nett. Spannend ist der Cocktail, den die Brennhaare enthalten und der zum prickelnden Gefühl an den Beinen führt, das lange anhält.

der Urwald von Valzeina, wir kämpften uns durch’s Gebüsch

Wir kämpfen uns durch und wünschen uns lange, stachelfeste, Hosen. Am Ende kommen wir da auf den Weg, wo es gemäss Karte sein soll. An genau dieser Ecke haben wir am Morgen beim Aufstieg gerastet. So kennen wir nun den Rückweg genau und wissen: da kommen keine urwaldähnlichen Stücke mehr.

Eine spannende Rundwanderung in tiefer Lage, mit viel interessanten Einblicken liegt hinter uns.

Die Bilder des trüben Tages.

Und die Route.