Zeit. Ein sonst rares Gut, im Moment bei mir aber tatsächlich vorhanden. Die Freiheit, das zu tun worauf man Lust hat, ist im Sabbatical eine Qualität die ich nicht missen möchte. Jetzt, nach dem ersten von drei Monaten, kommt „der Flow“.
Da der Sommer bei uns stundenweise stattfindet, muss man die Chance packen wenn das Wetter mal stimmt. Der Sonnenaufgang auf dem Flüela Schwarzhorn ist dafür die passende Idee. Statt den EM-Final zu schauen, gehe ich um 20.00 Uhr ins Bett, schlafe bis 00.30 Uhr, stehe auf, esse ein feines Porridge, fahre hinauf über den Flüelapass zum Startpunkt und gehe um 02.30 Uhr los. Die Nacht ist sternenklar, es ist beim Start mit 6 Grad nicht einmal so kalt, aber ziemlich finster.
Dank der Stirnlampe finde ich den Weg sehr gut. Kennen tue ich ihn ja sowieso, da ich den Gipfel nicht zum ersten Mal erklimme. Schon kurz nach dem Start kommt ein Schneefeld. Ok denke ich mir, es hatte ja im Winter viel Schnee. Aber was später kommt, ahne ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Jedenfalls steige ich zügig weiter auf. Bis zum nächsten Schneefeld, das dann vom Übernächsten lückenlos abgelöst wird. Und so weiter. Geschätzt verlaufen im Moment über 50% der Route im Schnee.
Da ich immer höher komme, die Nacht frisch ist und auch ein fieser Wind bläst, ist der Schnee hart gefroren. Einerseits ist das gut, ich sacke nicht ab, andererseits muss ich meine Füsse immer in vorhandene Trittlöcher platzieren, weil‘s sonst rutscht. Stellenweise fühle ich mich wie auf einer Schneeschuhtour, bei der ich dummerweise die Schneeschuhe nicht mit dabei habe. Die Stöcke wären heute auch hilfreich gewesen. Sie ruhten im VW Bus.
So geht es weiter, bis ich nach knapp 1 3/4 Stunden auf dem Gipfel oben ankomme. Die Dämmerung bricht langsam an. Es ist herrlich ruhig, denn oben bin ich alleine. Womit ich nicht gerechnet habe, der Berg ist bekannt für seine Sonnenaufgänge und oftmals biwakieren die Leute auf dem Gipfel. Ob‘s am EM-Final liegt das niemand oben ist?
Fast zwei Stunden verbringe ich auf dem Gipfel. Erst ganz am Schluss kommen noch 6 Personen rauf um die aufgehende Sonne zu geniessen. Ich habe dann so kalt, dass ich die wärmenden Sonnenstrahlen begrüsse. Beim Abstieg nehme ich die Direktvariante. Eigentlich wäre der Abstecher über die Fuorcla Radönt der Plan gewesen. Wegen dem Schnee macht das im Moment aber keinen Sinn. Da ist alles weiss und dementsprechend mühsam zu gehen.
Ungefähr um 07.30 Uhr bin ich zurück beim Auto. Was für ein Tagesbeginn! Und was für ein Glück, heute Abend ist der Himmel bereits wieder bewölkt und in der Wetterküche legen sie die Zutaten für den morgigen Regentag bereit.
Die Bilder der Nacht.
Mit der Strecke ins Licht.