Der Besseggengrat

Wir packen die Gelegenheit beim Schopf und fackeln nicht lang. Das Wetter ist noch gut und wird ab Montag schlechter. Da wollen wir nicht mehr warten. Um 04.00 Uhr stehen wir auf und machen uns für den Besseggen-Grat bereit. Wieso so früh? Weil pro Jahr rund 30’000 Personen über diesen Grat kraxeln. Er ist die meistbegangene Bergtour im ganzen Land. Und wir haben keine Lust, uns in einer Schlange durch die Felsen zu bewegen.


Auf der Hinfahrt passieren wir imposante Nebelbänke und geniessen die aufgehende Sonne. Diese taucht die Landschaft in mystische Lichter. Als die Nebelbänke zu stockdicker Sauce werden, haben wir leichte Zweifel, ob unser früher Aufbruch sinnvoll ist. Am Ende verlassen wir den Nebel rechtzeitig. Die Verhältnisse sind top, obwohl der Himmel mit einzelnen Wolken geschmückt ist. Um 06.15 Uhr steigen wir ab Gjendesheim in die Höhe. Es hat 7 Grad. Nach gut 2 Stunden machen wir eine Pause beim höchsten Punkt (1743 m) der Tour auf dem Veslfjellet und geniessen die Aussicht. Die Route präsentiert sich bis hier als absolut unkritisch. Der Wanderweg ist breit, das Gelände einfach. Seit unserem Abmarsch haben wir zwei Personen überholt und wurden selber von zwei Personen überholt. Unsere Planung geht voll auf, wir sind fast allein. Super.


Auf dem Fjell bläst ein kalter Wind. Fast packen wir die Handschuhe aus. Die Sonne wärmt gerade genug. Bald erreichen wir den eigentlichen Besseggen-Grat. Die Tiefsicht auf die beiden Seen links und rechts ist wirklich so beeindruckend wie man auf den Fotos sieht. Links tief unten der Gjendesee, rechts, 400 m weiter oben als der Gjendesee, das Bessvatnet. Beide Seen sind durch eine bloss 50 m breite Felsstufe getrennt. Wir knipsen Bilder, freuen uns am leeren Grat und steigen in den Grat ein. Unsere Marschrichtung hat zur Folge, dass wir den Grat abwärts passieren. Dafür haben wir die Sonne im Rücken (und den teilweise ziemlich starken Wind von vorne oder von der Seite). Der Grat präsentiert sich als leichte Kraxelerei abwärts. Die Hände sind hilfreich. Je nach Ort wo man geht, wird es zum Teil luftig zum 400 m tiefer gelegenen Gjendesee hin. Die bessere Variante für nicht ganz schwindelfreie Berggänger ist die Seite zum Bessvatnet hin. Da geht es weniger weit runter. Schwindelfreiheit ist von Vorteil.

Beim Bessvatnet machen wir kurz Pause. Es kommt ein kleines Motorboot an. Wir fragen uns, was die beiden Bootsfahrer hier wohl machen. Bald, beim Weitergehen, finden wir die mögliche Antwort. Eine Dame humpelt den Berg hinunter. Sie hat sich wohl den Fuss verletzt und wird jetzt mit dem Boot transportiert. Zu Fuss wäre sie nämlich noch Stunden unterwegs und müsste vor allem ein paar Hundert Höhenmeter über den Grat aufsteigen.


Ab diesem Punkt ist es mit der Einsamkeit vorbei. Die Hundertschaften fliessen uns entgegegen. Endlich passt das Wetter für die Einheimischen und sie rücken aus. Das Boot fährt im Pendelverkehr statt nach Fahrplan. Die Mehrzahl der Tourengänger lässt sich mit dem Boot von Gjendesheim nach Memurubu bringen und macht die Tour von dieser Seite. So kann der Grat im Aufstieg bezwungen werden. Was klar einfacher ist als im Abstieg. 

Was uns da nicht alles entgegenkommt. Schulklassen, Familien, kleine Kinder. Alles was Norwegen zu bieten hat. Die Leute sind, wir haben das schon oft bemerkt, sehr fit und bewegen sich mit Turnschuhen mit einer Lockerheit durch das Gelände, die uns immer wieder staunen lässt. Ausrüstungsmässig ist häufig die Minimalvariante angesagt. Wenn es hoch kommt eine PET-Flasche mit Wasser. Und vielleicht eine leichte Jacke. Wir sind froh, haben wir unsere Variante gewählt. Bis zum Ende sind wir in unserer Richtung so gut wie Alleine unterwegs.


Memurubu erreichen wir nach 5 1/4 Stunden wandern. Für Fotos und Pausen kommen 1 1/2 Stunden dazu. Wir sind viel schneller als gedacht und unterbieten sogar die norwegischen Vorhersagen massiv. Das freut uns doch. Ach ja, und 1’165 Höhenmeter gab es. 


In Memurubu machen wir Pause am See, baden die Füsse im eiskalten Wasser und überlegen uns, wie wir die rund 3 1/2 Stunden verbringen bis das Schiff kommt, welches uns nach Gjendesheim bringt. Am Ende besteigen wir das Schiff, das nach 1 1/2 Stunden Richtung Gjendebu fährt und dann raus nach Gjendesheim. Wir schippern so gut 2 Stunden über den See, geniessen weiterhin das schöne Wetter und freuen uns über  das Gelingen unserer Wunschtour. Die wir dank frühem Aufstehen und der richtigen Wanderrichtung abseits der grossen Heerscharen geniessen durften.

Unter diesem Link ist die Fotosammlung unserer Reise zu finden. 


Oben links der Besseggen-Grat mit dem Gjendesee links und dem Bessevatnet rechts

Entspannung am Gjendesee bei Memurubu






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