Schön leer, schön anzuschauen, schön zum Velofahren: Hitzacker – Lüchow

Wer eine Übernachtung in Hitzacker an der Elbe braucht, der gehe ins Hotel Hafen. Wir haben in einem riesigen Zimmer mit Terrasse übernachtet. Das ist eher schon eine Wohnung. Das Hotel ist 2010 neu gebaut worden. Herrlich ruhig, herrlich geräumig und herrlich günstig. Gut Fr. 100.00 für die Nacht – für uns beide! Mit dem Morgenessen. Fast unglaublich. Sie hätten hier praktisch keine internationalen Gäste, sagte mir die Dame an der Rezeption beim Bezahlen. Das ist uns auch aufgefallen. Wir haben seit Lüneburg nur Deutsche gesehen und gehört. Uns ist das recht. So ist es nicht voller Leute – was wir geniessen. 


Ab Hitzacker fahren wir zuerst der Elbe entlang. Meistens oben auf der Dammkrone. Wie gestern gefällt uns die Landschaft ausgezeichnet. Störche und Schwalben sehen wir heute ebenfalls wieder. Kurz vor Kaltenhof unterqueren wir eine ziemlich neue Autobahnbrücke die über die Elbe führt. Wenig später kommen wir an der alten Eisenbahnbrücke von Kaltenhof vorbei. Diese wurde am 20.04.1945 zerbombt. Der Wiederaufbau fand nie statt. Denn in der Mitte der Elbe verlief die Zonengrenze. So steht der Westteil der Eisenbahnbrücke in der Landschaft und unter Schutz. Als Mahnmal für die Zeiten der Teilung Deutschlands. 

Eindrücke von unterwegs 
Später erreichen wir Gorleben. Ein bekannter Ort in Deutschland. Für seine Castor-Transporte und die grossen Demonstrationen gegen das Atomendlager. Das Thema ist in der ganzen Region aktuell. An vielen Häusern, Zäunen oder in Gärten stehen grosse, gelbe Andreaskreuze. Die signalisieren: Hier wohnt jemand der gegen Atomkraft ist. Wir sehen vom Endlager nichts und stellen fest: Gorleben ist ein kleines, verschlafenes Dorf. Wie wir heute viele am Weg durchfahren. Landflucht ist das Thema. Es hat keine Läden, keine Beizen, eigentlich hat es nichts. Ausser vielen schönen Häusern und Landschaft. Wie sollen die Leute hier leben? Ausser mit der Landwirtschaft lässt sich da kein Auskommen finden. Spontan irgendwo etwas zum Essen kaufen? Einen Kaffee trinken? Oder gar so mutig sein und die Unterkunft nicht im Voraus buchen? Vergiss es. Da endest du unter einem Baum. Mit Hunger und ohne Bett. 

Bei Gorleben verlassen wir die Elbe, an der wir heute wieder, so wie gestern, Stellen passieren an denen die Hochwasser der letzten Jahre thematisiert sind. Ein Spruch auf einer Tafel ist mir geblieben: „Die Jahrhunderte werden immer kürzer“ – weil es innerhalb von 10 Jahren mehrere Jahrhunderthochwasser gegeben hat. Im Winter wie im Sommer. Wie müssen die Leute Angst gehabt haben, dass der Damm bricht wenn das Wasser bis 50 cm unter der Krone gestanden ist? 

Uns steht der Sinn nach Kaffee und Kuchen. Das hoffen wir in Gartow zu finden. Die Ortsnamen, die hier auf „ow“ enden, haben übrigens einen slawischen Ursprung. Wir sind im Wendland. Ein Begriff, den es erst seit ca. 1700 gibt. Der aber seinen Ursprung schon früher hat. Ganz spannend ist eine spezielle Dorfform, die heute noch existiert. Das so genannte Rundlingsdorf. Da führt genau eine Strasse an einen Platz um den sich dann die Häuser in einem Rund drapieren. Raus kommst du da nicht. Oder du fährst, so wie wir heute, über ein Privatgrundstück. Was dann beim Besitzer Reaktionen hervorruft. Die aber gut waren. Das war in Ranznau. Einmal mehr mit grossen, imposanten und sehr gepflegten Häusern. Herrlich sind sie anzusehen. 


Häuser im Rundlingsdorf Ranznau – rechts in der Mitte ein Fremdling: Das Rathaus von Lüchow; und oben links ein Haus von unterwegs



Vor Ranzau erleben wir heute zum ersten Mal einen Eindruck von Heide. Wir fahren an der Nemitzer Heide vorbei. Das ist noch nicht die Lüneburger Heide. Aber trotzdem sehr schön so als erster Blick auf die blühenden Erika. 

Die Heide, oder besser die Erika, blüht

Herrlich anzuschauen

sieht harmlos aus, ist aber total mühsam
Nix da mit fahren, nur schieben geht
Den Blick müssen wir uns verdienen. Bei unserem Führer, von Bikeline, ist vermutlich jede Strasse gut, solange es keine Hauptstrasse ist. Der Weg führt an Orten durch, da bist du froh, hast du ein GPS und musst nicht dauernd Karten lesen. Heute fahren wir wiederholt entgegen der auf den Wegweisern aufgeführten Richtung. Weil die Bikeline GPX-Route halt dort durch will. Das geht fast immer gut. Fast – denn heute treffen wir auf eine ca. 5 km lange Sandpiste. Da ist kein Durchkommen. Die Alternative ist das Velo schieben. Was fast nicht geht. Die bepackten Stahlesel saufen im Sand ein. Wir drehen um und fahren auf der Hauptstrasse. Wo es so gut wie keinen Verkehr hat. Umfahren ist das Thema. Was super gelingt. Treffen wir doch punktgenau auf die Heide und sind zurück auf der Route. Ohne Sand diesmal. 

Bushaltestelle für die sieben Zwerge? 

Die heutige Strecke ist wiederum sehr schön. Kilometerlang geht es durch lichte Wälder. Dann wieder über Land und kleine Weiler. Zurück in den Wald – wo es dann mal so richtig alle Schrauben auf ihren Sitz testet. Mitten im Wald steht eine kleine Siedlung. Die Bushaltestelle sieht aus wie wenn sie bald zu Kompost wird. Es ist fast nicht zu glauben, aber hier hält wirklich der Bus.  


Wir wähnen uns in einer anderen Welt. Willst du mal so richtig die Pampa erleben? Dann fahr hier durch. Aber was machst du hier? Ausser Ameisen zählen oder tonnenweise Heidelbeeren suchen? Der Waldboden ist übersät mit den blauen Beeren. Wir machen kurz Pause und geniessen die von der Sonne gewärmten Beeren. Für den Hot Berry fehlt bloss noch das Vanilleglace. Aber da es ja nirgends einen Laden hat, begnügen wir uns mit den Beeren. 


Die Störche im Nest (merci an Gabi für das Foto); Gabi in den Beeren und ein Anwohner der Veloroute hat Freude an Automaten 
Die letzten Kilometer führen uns am Ende nach Lüchow. Gut 96 km hat es heute gegeben. Mit sagenhaften 167 Höhenmetern. Bei sonnigem Wetter mit Wolken, einem teilweise auffrischenden Nordwind und etwa 20 Grad. Ist die Sonne weg, wird es frisch. Lacht sie vom Himmel ist es ideal. So geniessen wir jeden Kilometer bei den herrlichen Verhältnissen. In Lüchow wohnen wir im liebevoll eingerichteten Hotel am Glockenturm. Das ein weiterherum bekanntes Restaurant hat. Blöd ist bloss: das Restaurant hat von Donnerstag bis Sonntag offen. Wir sind Montag und Dienstag hier. Dumm gelaufen sage ich dazu. Genauso wie heute: der Montag ist wie in der Schweiz der Tag, wo viele Beizen zu sind. Jedenfalls die, die überhaupt noch offen sind. Denn in der Mehrzahl kannst du keine Getränke kaufen in den Gaststätten, du musst gleich die ganze Liegenschaft übernehmen. Die eine oder andere Bäckerei packen sie dir gleich mit ein.


Die Ferienkollektion der Bilder liegt hier




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