Wenn das Glück am Himmel tanzt

Schreibstube in Hamn auf Senja 

Sonntag ist es. Ich sitze am Tisch und schreibe meinen Blogeintrag für den Samstag und die Nacht auf Sonntag. Ein paar Stunden ist es hell. Und ich sitze drinnen? Der Grund ist einfach: das Wetter motiviert nicht für Aktivitäten draussen. Es regnet ganz fein und durchdringend. Da geniesse ich lieber meine gemütliche Wohnung und die Ruhe nach zwei Tagen, die ich vor allem mit Reisen verbracht habe. Aber der Reihe nach. 



Mittags um 12.00 Uhr die Sicht auf Tromsø

Gestern Samstag brach ich von Tromsø Richtung Hamn auf der Insel Senja auf. Gut 200 km mit dem Auto. Das Wetter war traumhaft. Wolkenloser Himmel und eine Stimmung, wie sie nur hier oben im Norden herrschen kann nach dem das Tageslicht am 22. Januar zurückgekehrt ist. Irgendwie ist das komisch. Ich habe den ganzen Tag das Gefühl, ich sei verspätet unterwegs. Das liegt genau an diesem speziellen Licht. Im Sommer, wenn die Mitternachtssonne scheint verliert man die Kontrolle über das Tagesende. Im Winter ist es irgendwie umgekehrt. Da verliert man die Kontrolle über den Start und gleichzeitig hat man bereits das Tagesende vor Augen. Um 12.00 Uhr gibt es Fotos wie sonst beim Sonnenuntergang. Später staune ich in Finnsnes über die vielen Leute auf den Strassen. Fast dunkel und so viel Volk? Kein Wunder, es ist ja erst 15.00 Uhr und die Leute sind beim Wochenendeinkauf. Ich treffe um 16.00 Uhr in Hamn ein und es ist praktisch dunkel. 

Satellitenempfang mit Natur 



Auf dem Weg mache ich den einen oder anderen Abstecher in Seitentäler die von der E8 weggehen. Und erlebe ein Wechselbad der Temperaturen. Am Meer vorne um die 0 Grad, 2 km in einem Tal drin hat es -12 Grad. Extrem, und das geht den ganzen Tag so. Am Ende, in Hamn, ist es + 2 Grad und es liegt fast kein Schnee. Dabei hatte es 10 km weiter hinten noch Schneemaden am Strassenrand. Eines ist hier gleich wie in Tromsø. Der Eispanzer, der alles überdeckt. Ohne meine „Steigeisen“ würde ich nicht weit kommen. 


Hamn ist ein kleiner Platz direkt an der Küste. Bestehend aus einem Hotel und diversen Gästehäusern. In einem davon habe ich eine Wohnung gemietet. Klein und fein trifft es hier genau. Nicht überlaufen wie sonst, obwohl es praktisch ausgebucht ist. Von hier kann man Walsafaris machen. Die Wale sind noch hier und jagen Heringe. In ein paar Tagen werden sie weiter ziehen. Es hat Taucher, die Unterwasseraufnahmen der Orkas und Buckewale machen. Segler logieren in ihren Booten, was nicht meine Sache wäre im Winter. 


Nach dem Bezug der Wohnung bereite ich mich auf den Abend vor. Klarer Himmel und Vollmond. Genau die richtigen Zutaten für eine Nordlichtpirsch. Deshalb bin ich ja hier. Der vierte Anlauf, nach dem ich die letzten beiden Jahre immer eine Woche Schneesturm mit null Sicht erleben „durfte“. Hamn habe ich mit Bedacht und nach langer Recherche gewählt. Am Sonntagmorgen um 02.00 Uhr stelle ich fest: gut gemacht, das passt perfekt hier. 


Meinen favorisierten Fotostandort finde ich dann auch. Zuerst fahre ich mit dem Auto 14 km nach Gryllefjord. Das ist im Sommer die Fährstation für die Fahrt nach Andenes. Im Winter ist die Linie geschlossen. Wir waren im 2013 schon mal dort. Ich habe ein klares Bild des Fotostandorts vor Augen. Gesehen auf einem Foto von Deutschen die hier oben waren. Und ich finde dieses Bild schlicht nicht. Schon auf der Hinfahrt sah ich es nirgends. Die Frage ist: Wo ist denn dieser Standort? Geodaten gibt es dazu nicht. Irgendwo muss dieser Ort doch sein! 


Und ja, es gibt ihn. Zu Fuss 2 Minuten hinter meiner Wohnung am Meer auf den Felsen. Das finde ich eine gute Stunde später heraus als ich zu Fuss die Gegend nach dem idealen Standort abgrase. Künstlerpech sage ich dazu. Wieso denn in die Ferne schweifen wenn das Gute so nah liegt? Ist egal, es ist 21.00 Uhr und der Himmel immer noch klar. Und ruhig in Sachen Nordlichter. Ich richte mich ein, mache Probeaufnahmen um abzuschätzen, was der Vollmond zu den Bildern beiträgt. Der leuchtet direkt über Hamn und taucht die Gegend in ein schummriges Licht. Es ist so hell, ich kann ohne Stirnlampe hantieren. Und über die vereisten Felsen balancieren. Die Schuheisen lassen grüssen. 


Der Hammer in Hamn ist das kleine Leuchthaus. Neu aufgebaut. Direkt auf dem Felsen. Fenster rundherum. Drinnen Tische, Bänke, Stühle, Kaffee, Tee, Kerzenlicht und eine Heizung. Du sitzt an der Wärme und rennst raus wenn das Nordlicht kommt. Ein wenig warmduscherhaft? Eher ja. So bleibe ich draussen, mit einer Ausnahme. 30 Minuten wärme ich mich auf. Denn am Ende stehe ich 6 Stunden draussen. Es zwar bloss leicht unter Null Grad. Aber es zieht ein giftiges Windchen über die Felsen. 


Und dann sind sie da. Die tanzenden Aurora’s. Ganz verschämt huschen sie über den Himmel. Sind es Wolken? Nein, es sind Nordlichter. Sie verschwinden wieder. Es bleibt ruhig. Ich bin gespannt. Da muss doch mehr kommen. Und es kommt mehr. Plötzlich geht es rundherum los. Über dem Kopf, am Horizont, hinten und vorne zucken die Lichter über den Himmel. Relativ schwach, aber sichtbar. Ich fotografiere und dann schaue ich minutenlang einfach nur in den Himmel und geniesse. Endlich hat es geklappt. Die Geduld zahlt sich aus. Ich bin glücklich. Und knipse wieder.


Zwischen 00.30 und 01.30 Uhr werden die Lichter stärker. Unser menschliches Auge sieht viel weniger als der Sensor eines Fotoapparates. Deshalb sind Nordlichter auf Fotos stärker als man sie mit den Augen wahrnimmt. Die Schau am Himmel ist für das Auge eine Freude! Und für die Kamera auch. Die aufziehende Störung schiebt Wolken in den Bildausschnitt. Der Vollmond leuchtet mit den Sternen um die Wette und trägt das Seine zu den schönen Fotos bei. Es ist schlicht herrlich. 


Leute hat es wenig. Manchmal ist noch jemand bei mir draussen. Aber nie für lange. Zum Glück. Zwei Mal stört das nämlich enorm. Das 14 mm Weitwinkelobjektiv hat eine grosse Spannweite. Wir einigen uns problemlos und ich achte ebenfalls darauf, dem Nachbar nicht ins Bild zu latschen. 


Kurz vor 2 Uhr ist die Aufführung zu Ende. Genau zum richtigen Zeitpunkt. Die Wolken ziehen heran und schliessen das Himmelsfenster. Glücklich und zufrieden gehe ich an die Wärme, mache mir ein feines Milchreis und sinke ins Bett und schlafe tief und fest. 


Was für ein Start meiner Woche im Norden. Der Wetterbericht ist zurückhaltend. Vielleicht habe ich wirklich das einzige Fenster erwischt? Nun, eines der Ziele meiner Ferien habe ich erreicht. Super! 


Die Fotosammlung liegt übrigens hier und ich hoffe, sie gefallen :-). Hier eine kleine Auswahl aus der Kollektion: 

Und die Lady tanzt

Rechts das Lichthaus – davor der andere Fotograf

Die Lady schweift aus 

Sie tanzt weiter 

Herrlich ist es ihr zuzuschauen 

Nicht die Sonne, sondern der Vollmond leuchtet hier 






Schreibe einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..