Urs hat gestern im Letzigrund einen Fussballmatch der Frauen Euro in Zürich besucht und muss darum heute länger schlafen. Derweil mache ich mich am frühen Morgen auf die Socken – bevor die angesagte Schlechtwetterfront das Prättigau erreicht.
Der kurze Abstieg von Fideris ins Tal ermöglicht mir die perfekte Zugverbindung nach Saas i.P. zu nehmen. Nach zehn Minuten Fahrt steige ich vom Bahnhof Richtung Dorf auf. Es ist bewölkt und schwül-warm. Wie lange wird wohl das Wetter noch halten? Mein Ziel wäre das Geisshorn (2276 müM).
Der Schweiss beginnt schon bald zu fliessen. Mein Weg führt im Zickzack durch Wald, an Wiesen und Alphütten vorbei, viel zu oft auf Alpstrassen, teils auf Wanderwegen den Hang hinauf. Irgendwann habe ich genug, nochmals eine geteerte Strasse bis zur Kurve auszulaufen. Ich entscheide mich, den direkten Weg nach oben über Alpwiesen und an Waldrändern entlang zu nehmen.
Auf 1900 müM erreiche ich den Prättigauer Höhenweg. Inzwischen ist der Himmel dunkel geworden. Kaum bin ich losgelaufen Richtung Madrisa, beginnt es zu regnen. Mein Ziel werde ich wohl vergessen können. Die Wolken hängen tief, unter mir im Tal ziehen Nebelschwanden umher. Ich finde Schutz unter ein paar Tannen und warte. Nach zehn Minuten lässt der Regen nach, die Wolken lockern sich auf und die Sonne drückt durch.
Eine üppige Alpblumenpracht begleitet mich dem schmalen Weglein im Auf und Ab hoch über dem Prättigau. Die Aussicht auf die Dörfer Saas, Conters, Küblis und Fideris ist atemberaubend. Die Gipfel sind in Wolken gehüllt, im Tal scheint die Sonne. Über mit Seilen gesicherte Passagen und am Schluss über eine kleine Metalltreppe erreiche ich die Mässplatte, ein Aussichtspunkt mit Menschen, die mit der Madrisabahn hochgekommen sind.
Das Wetter zeigt sich von der schönen Seite, der Entscheid für den weiteren Aufstieg ist schnell gefällt. Nach ein paar Kehren und steilen Wegstücken kann ich bereits das Gipfelkreuz vom Geisshorn erkennen. Die Nebelschwaden wabern herum, aber meist ist es sichtbar. Männertreu, Alpenrosen und weicher mooriger Untergrund begleiten mich. Und die Sonne scheint! Das letzte Stück zum Gipfel ist weglos und bevor ich das Gipfelkreuz erreiche, habe ich erschaudernde Tiefblicke am Rande der senkrechten Felswand nach Saas und auf die darüber liegenden Häusergruppen, von wo ich herkomme.
Ein unglaublicher Moment, alleine auf dem Gipfel, beim Mittagessen, mit dieser Aussicht, nun auch talaufwärts nach Klosters! Kein Wind geht, es ist angenehm warm, ein Glücksmoment der Sonderklasse!
Auf dem Abstieg zur Madrisa Bergstation verdunkelt sich der Himmel wieder, es beginnt in Strömen zu regnen…
Das Bilderbuch des Tages von Gabi.