So langsam spüre ich meine Kilometer in den Beinen. Heute stehe ich zum ersten Mal auf und denke, dass die Beine wohl gerne noch ein wenig geruht hätten. Das Morgenessen ist ausgezeichnet und beinhaltet eine feuchte Einlage. Plötzlich regnet es. Nicht draussen, nein, drinnen. Im Restaurant schifft es aus der Decke. Ich rufe der Dame, die mir das Morgenessen zubereitet hat. Sie schaut an die Decke, sagt Zimmer 2, holt drei Lappen, saugt das Wasser auf und löscht in diesem Teil der Beiz das Licht damit es keinen Kurzschluss gibt. Das war’s. Ok, ich frage mich bloss, wie lange das noch geht, bis die Holzdecke verfault zu Boden segelt. Egal, ich bin dann mal weg.
Nämlich auf meiner letzten Etappe gen Rotterdam. Vielleicht. Denn eigentlich sind das fast 150 km. Ich rechne bereits beim Wegfahren grob hoch, ob das realistisch ist. Denn der Kollege van Wind ist wieder da. Das findet der Freund van Tramp gar nicht lustig. Und ver Flucht den steten Gegenwind. Keine 10 % der heutigen km kann ich mit Rückenwind und über 32 km/h durch die Landschaft flitzen. Meistens muss ich mächtig pedalen um nur schon auf 20 km/h zu kommen. Dann noch die vielen Kilometer? Ich sehe Rotterdam irgendwann entschwinden.
Die Fahrt ist trotzdem schön. Drei Mal kann ich mit Fähren über den Rhein, respektive Nebenarme, fahren. Die Landschaft ist weit und vielfältig. Tiere sehe ich jede Menge. Zuerst Nutztiere wie Kühe und Schafe. Aber auch Frau und Herr Fasan sind auf einem Spazierganz anzutreffen. Sogar durch einen Nationalpark fahre ich. Er heisst „Biesbosch“ und muss ein Vogelparadies sein. Graugänse gibt es in Massen. Sie ziehen ihre Jungen gross und watscheln im Familienverband herum. Auch für andere Vögel herrschen paradiesische Zustände. Vierbeinige Bewohner gibt es auch, ich lese von Bibern und Ottern. Besucher auf zwei Beinen hat es viele. Die sind bewanderschuht und streifen durch die topfebene Landschaft.
Die Wasserflächen erinnern schon fast an Südfrankreich. Jede Menge seichte Wasserstellen glitzern in der Sonne. Kanäle durchziehen sowieso das ganze Land. Häufig sind sie schiffbar. Die vorbeiziehenden Boote sehen total gemütlich aus. Velofahrer sind in stattlicher Zahl unterwegs. Zu 99% mit Batterie. Bloss die Rennvelopiloten oder ich fahren noch Bio. Wobei ich mir ehrlich gesagt, bei diesem Gegenwind, manchmal auch eine Batterie wünsche.
Holland ist schön, und die Holländer sind praktisch veranlagt – siehe Volvo |
Beim Fort Bakkerskil esse ich etwas in der Richtung „Strammer Max“. Gemäss der Wirtin so was wie eine holländische Nationalspeise namens „Uitsmijter„. Die ideale Sportlernahrung, total leicht verdaulich und fast gar nicht fettig, rülps. Der Pedaleur ist dann ein paar Kilometer lang nicht mehr gar so stramm unterwegs. Der Magen hat gerade andere Prioritäten. Und die Haxen sind nach etwa 80 km langsam müde. Dazu kommt eine geographische Verwirrung. Ich hätte jeden Preis gewettet, dass ich in die falsche Richtung fahre. Karte, GPS und Wegweiser sagen das Gegenteil. Es steht damit 3:1 und ich füge mich. Wie ich am Abend auf der Karte sehe, habe ich mich nicht getäuscht. Die Route führt südlich von Werkendam wirklich in einer Schlaufe durch die Gegend.
Kommt dazu: ich habe heute eine Verabredung! Mit Gabi, unsere Wege kreuzen sich in Hoek van Holland. Da will ich ja nicht erst mitten in der Nacht eintreffen. In Dordrecht führt meine Route sowieso am Bahnhof vorbei. Kurz schwanke ich. Nach Rotterdam wären es noch 20 km. Aber da ist die Rheinradroute nur für Touris aus dem Norden fertig. Der Holländer sieht das Ziel eben in Hoek van Holland. Das sind ab Dordrecht noch 70 km, aber mein Zähler steht schon bei 99. Also: Frau wartet, Haxen sind müde und Zeit ist fortgeschritten. Ich nehme den Zug und fahre nach Rotterdam, von dort nach Schiedam und dann mit dem Bus nach Hoek von Holland. Die Bahn ist gerade im Umbau hier unten und drum fährt Mann Bus.
Der gemeinsame Abend ist gemütlich, das Essen fein und wir haben uns viel zu erzählen. Beide sind ja eine Woche lang unabhängig voneinander unterwegs gewesen. Für mich geht es am Dienstag an die Arbeit und für Gabi steht ein Ruhetag an. Das Wetter soll garstig werden. Und ja: das Hotelzimmer ist geräumig. Die Velos können bei uns schlafen.
Die Fotos zur Tour liegen hier. Und durch ging es heute hier.